Es ist Anfang Juni und Hubert Mühlbauer ist mitten im Getriebe. Multitasking ist derzeit eine Untertreibung. Noch intensiver als die Erdbeersaison, sagt er, ist die Frühsaison. „Das ist der volle Wahnsinn.“ Und das ist: jetzt. – 50 Feuerzeuge, sagt er, hat er allein in den letzten zwei Wochen verloren.
Hubert ist zurzeit manisch. Um halb vier wacht er auf – und schreibt, bevor es hell wird, ein paar Gedanken nieder. Sie drehen sich um die Erde, den Klimawandel, den Krieg in der Ukraine. „Alle, die diesen Krieg befeuern“, schreibt er auf die Rückseite eines Erdbeer-Prospekts, „sollen aufs Häusl scheißen gehen – und dortbleiben.“
Und darunter steht übergangslos: „Es ist ein gutes Land“. Nein, kein Konjunktiv. So ist es. So erlebt er es. „Was wir daraus machen“, sagt er, „das ist oftmals das Problem.“
Er stimmt, wenn ihm danach ist, mit vollem Bass Lieder von Schubert an, oder von Reinhard Mey, einem seiner ewigen Lebensbegleiter. Ein weiterer ist HC Artmann. Der hat mit dem Satz „Mein Herz ist die Spur eines nie erratenen Gedankens“, sein Lebensmotto skizziert.
Vor 5 Jahren stellte Hubert Mühlbauer seinen Erdbeer-Betrieb auf ‚bio‘ um. Seither fiel z.B. die Spritzung gegen den Erdbeer-Blütenstecher aus, einen kleinen Käfer, der auf Erdbeeren spezialisiert ist. „Das Problem war nämlich, dass man mit dem Spritzen auch die Nutzinsekten umgebracht hat“, sagt Mühlbauer. Er hat sich damit abgefunden, dass ein kleiner Teil der Blüten nun verloren geht. Die Katastrophe, die von manchen prophezeit wurde, blieb aber aus. Hubert hat sich mit dem „netten kleinen Käfer“ arrangiert. Und heuer sogar auf die in der Bio-Landwirtschaft erlaubten Spritzungen verzichtet: kein Schwefel, kein Phosphor, gar nichts. Dafür gräbt er, wenn es ihn überkommt, ein paar Lacken für die Kröten bei seinen Feldern am Theisslbach – nahe der Westautobahn. „Das ist meine Art der Natur-Refundierung“, sagt er. „Und außerdem gefällt es mir, wenn man die Autos nicht mehr hört – weil die Frösche so einen Wirbel machen.“
Bereits im April meldete sich bei Hubert die Mutter eines 5-jährigen Buben, der unbedingt wissen wollte, wann es endlich Erdbeeren gibt. Damals dachte er, dass es bereits im Mai los geht. Doch dann setzte der große Regen mit ungewöhnlicher Kälte ein. „Es wird Juni werden“, musste er ihr mitteilen. Worauf sie sagte: „Oh, wie kann ich ihn so lange vertrösten?“
Seit 1. Juni – als die ersten Beeren rot wurden – ist nun Hochbetrieb auf Huberts Feldern. Die Saison dauert den ganzen Juni. Anfang Juli ist es üblicherweise vorbei. „Danach kannst Du dir, nach einem ungeschriebenen Gesetz, die Erdbeeren in die Haar schmieren.“
Der Fuhrpark seines Betriebs heißt intern „Armada kaputtnik“, ein ewiger do-it-yourself Reparatur-Stress. Mit seinem Multikulti-Team an Mitarbeitern ist für tägliche Action gesorgt.
Als Zukunftsprojekt möchte er über Sonnenenergie Wasserstoff erzeugen, um damit einen neuen Wasserstoff-Traktor Energie-neutral zu betanken.
Hubert pflegt seit Jahrzehnten gute Kontakte nach Polen. Stacho ist der Senior und hat sich den Titel „Mr. Erdbeere“ in Jahrzehnten redlich verdient. Andere Mitarbeiter kommen aus der Slowakei, aus Serbien, früher auch aus Pakistan. Während der Saison gibt es für alle Mitarbeiter „Saft“: Gepresste Erdbeeren mit Wodka. „Das ist der Sprit den du für die harte Arbeit brauchst“.
Hubert ist in Neulengbach der einzige Bauer der Bio-Erdbeeren verkauft. Die Zufahrt zum Verkaufsstand und den Selbst-Pflückfeldern läuft über die Maria-Anzbacher Lilienstraße. 4,80 pro halbem Kilo kosten die selbst gepflückten Erdbeeren, bei größeren Mengen gibt es Rabatt. Verkaufsschlager sind die aromatischen Walderdbeeren. Gepflückte Bio-Erdbeeren verkauft ab sofort die Stadtgreißlerei Brutschy am Neulengbacher Hauptplatz.
Zuverlässig aktuelle Infos stehen auf Mühlbauers Webseite www.erdbeerfeld.at
„Ich rufe dazu meine Freundin Michaela an, die das sofort reinstellt. Und wenn es auf einem Erdbeer-Acker keine Erdbeeren mehr gibt, so steht das binnen einer Stunde drin.“ Doch derzeit ist Frühsaison. Da sind die Felder gut gefüllt.